Dienstag, 14. Dezember 2010

Mechaniker & Co.

Begonnen hatte es im August. Mein seit langem angeschlagenes Vehikel kroch nur noch ächzend den Berg hinauf, war kurz davor, für immer den Geist aufzugeben. So tat ich, was unvermeidlich war: Ich suchte eine Werkstatt. Eine, die besser sein sollte, als jene, die ich bisher in Anspruch genommen hatte. 

Zuverlässig sollten die Mechaniker sein. Fachleute mit solidem Wissen. Ehrliche Menschen, die auch technisch unbedarfte Wesen wie mich nicht über den Tisch zu ziehen versuchen. Was also liegt näher, als auf Nachbarn zurückzugreifen. Auf eine Werkstatt, die bei mir gleich um die Ecke liegt. Ein Taller, das mir zudem noch empfohlen wurde. 

Die Leute waren wirklich nett. Wann immer sie wollen, hieß es, als ich meinen vierräderigen Patienten anmelden wollte. Toll, dachte ich, bei der offiziellen Vertretung muss man mindestens eine Woche warten. So lieferte ich mein Auto ein, mietete einen Leihwagen und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Eine Woche später wartete ich immer noch. Na ja, die Ersatzteile seien nicht angekommen. So was würde eben dauern. Nach vierzehn Tagen und der zweiten Verlängerung des Leihwagen-Vertrages wagte ich aufzumucken. Der Mann in der Werkstatt zeigte Verständnis. Aber: Leider sei sein Bruder im Urlaub. Damit ich nicht noch länger warten müsse, würde er mein Auto provisorisch richten. Im September dann solle ich wiederkommen.

Inzwischen sind die Ersatzteile eingetroffen. Und weil sie bezahlt werden müssen, ist auch eine stattliche Anzahlung fällig. Im Übrigen, sagen die Mechaniker, könne ich das Auto bringen, wann immer ich wolle. Drei Wochen später nahm ich das Angebot wahr. Nicht, ohne mich vorher telefonisch angemeldet zu haben. Doch das hätte ich mir ersparen können. Erst stand mein Auto drei Tage auf der Straße vor der Werkstatt. Danach fristete es ein unberührtes Dasein in der Garage. In der Zwischenzeit ist eine leichte Veränderung zu bemerken. Immerhin steht bereits die Motorhaube offen. Leider fehlt wieder mal ein Teil. Besser gesagt, ein Teil von einem Teil. Vielleicht kommt es ja bis Weihnachten wirklich an. Und sonst halt zu den Heiligen Drei Königen.

Fliegen

Bis vor kurzem war für mich die Fahrt zum Flughafen mit angenehmem Prickeln verbunden. Mit der Vorfreude auf spannende Reisen und erholsamen Urlaub. Auf fremde Kulturen und neue Erfahrungen. Das Einchecken war gleichbedeutend mit dem Abschied vom Alltag. Die Passkontrolle kam mir vor wie ein Freibrief zum Entdecken der Welt, und der Start brachte jeweils nicht nur das Flugzeug sondern auch mich zum Abheben. 

Doch jetzt ist plötzlich alles anders. Das Unbehagen hat bei mir Einzug gehalten. Ist in mein Bewusstsein eingedrungen. Ohne konkreten Grund, ohne logische Erklärung. Das angenehme Prickeln hat sich in Nervosität verwandelt, das Wegfliegen sorgt für  Herzklopfen und die Landung für einen trockenen Mund. 

Bin ich früher voller Gottvertrauen mit jeder Fluggesellschaft gereist, habe ich heute eine erklärte Vorliebe für die helvetische Nationallinie. Stehe ich Todesängste aus, wenn ich fremdgehen muss. Zum Beispiel mit einer Drittwelt-Airline. So wie damals in Afrika, als wir an Bord einer zwölfplätzigen Maschine zu einer abgelegenen Lodge fliegen wollten.

Am liebsten hätte ich da schon auf dem Flughafen rechtsumkehrt gemacht. Das tat dann der Pilot, nachdem wir fünf Minuten in der Luft waren. Er habe soeben vom Tower den Befehl zur Umkehr erhalten. Derweil wir bedrohlich tief über nicht enden wollenden Sumpflandschaften kurvten, schloss ich innerlich mit meinem Leben ab. Es musste ja mal passieren.... 

Natürlich passierte nichts. Außer, dass wir noch sechs Passagiere mitnehmen mussten. Es passierte auch nichts, als wir eine Stunde später die Landung abbrechen mussten, weil bereits ein Flugzeug auf der Piste stand und ebensowenig geschah, als wir bei der Rückkehr mit einer klapprigen DC-3 durch einen Sturm holperten. Bleibt zu hoffen, dass uns das Glück weiterhin hold ist. Dass die Ängste dem Vertrauen weichen und auch ich wieder sagen kann: Nur Fliegen ist schöner.

Zweitsprache

Zugegeben, es hat viele Vorteile, Kinder auf einer Mittelmeer-Insel heranwachsen zu lassen. Jugendjahre ohne Hektik und Stress, eine Kindheit, abseits von Großstadt-Kriminalität und Psychoterror, eine kosmopolitische Umgebung und ein Bildungsangebot für jeden Geschmack. 

Was, zum Kuckuck, will man eigentlich mehr? 
Schließlich kriegt nicht jeder Knirps so ganz nebenbei noch ein paar Sprachen mit. Müssen andere hart arbeiten, um sich im Urlaub mit halbwegs verständlichen Sätzen durchzuschlagen. Nicht so Residenten-Kinder.

Mein Sohn, zum Beispiel, kam mit neun auf die Insel. Sein Deutsch war dasjenige, eines kleinen Schweizers, Englisch kannte er allenfalls von TV-Comics und Spanisch kam ihm ziemlich spanisch vor. 

Eine Internationale Schule brachte den hautnahen Kontakt mit Fremdsprachen: Unterricht in Englisch, war angesagt, Deutsch und Spanisch kamen als weitere Fächer dazu. Ein paar Jahre später weiß er sich mitzuteilen. In verschiedenen Sprachen, versteht sich. 

Im Normalfall tönt dann das etwa folgendermaßen: „Hoi, wie goht‘s, I‘m fine, el próximo sábado me iré a la fiesta de mi amigo....“ Nicht dass er dabei eine Ausnahme wäre. Seine Freunde hüpfen frischfröhlich zwischen Eng- lisch und Spanisch hin und her, so beweglich und gewandt, als hätten sie statt Köpfen geistige Gummibälle auf den Schultern. 

Die Stunde der Wahrheit schlägt dann, wenn die Abschlussexamen anstehen. Prüfungsfach Spanisch, wird unter dem Schwierigkeitsgrad „Zweitsprache“ abgelegt. Die Muttersprache Deutsch würde am liebsten als
„Drittsprache“ klassiert. Und Englisch, die Sprache, in der beinahe der gesamte Schulunterricht statt gefunden hat? Mit de Argument "ich bin ja schließlich kein Engländer¨ ist auch das klar. Jetzt endlich begreife ich, was mein Sohn wirklich spricht: Zweitsprache natürlich.